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Das pyramidale Prinzip 2.0 - Die Welt als Wille zur Macht

Algebra und Kabbala

Auszug "Das pyramidale Prinzip 2.0"; Franz Sternbald

.... Wenn bisher dem menschlichen Gegenüber ursprünglich das ‚Berechnende’ als Grund für Verunsicherung in Bezug auf dessen Aufrichtigkeit unterstellt werden konnte, erhalten wir mit der Zwischenschaltung von Kommunikationstechnik einen um Potenzen gesteigerten Grund zur Verunsicherung. Ein exklusives Gegenüber besitzen wir somit nicht mehr, denn unser potentielles Gegenüber ist die globale Gemeinschaft. Den Rang in welchem Begegnungen überhaupt noch stattfinden, erhalten wir zunehmend über die Makler der Informationsverarbeitung in sozialen Netzwerken zugewiesen, ohne jedoch Einsicht in die bestimmenden Algorithmen erlangen zu können. Durch das Versprechen von Berechenbarkeit von Beziehungen, soll uns künftig Versuch und Irrtum erspart bleiben. Nicht mehr auf "Treu und Glauben" gründen zu brauchen, fordert als Ersatz den unbedingten Glauben an eine ‚richtige’ Formel der Berechenbarkeit, die in verborgenen (=okkulten) Algorithmen niedergelegt ist. Die Bedienung der Endgeräte der Netzwerktechnologie ist auf kein verständiges Tun des Anwenders mehr angewiesen, sondern kommt einer sakral symbolischen Handlung mit Fetischcharakter gleich. Es besteht in zärtlichem Wischen über magisch beleuchtete Displayflächen, auf denen sich die Icons tummeln, wie die Hieroglyphen in den altägyptischen Totenbüchern.

Dies ist die Umgebung für die Entsprechung des ‚letzten Menschen’, dessen Auftritt auf der Weltbühne Nietzsche in seinem ‚Zarathustra’ vorausgesagt hatte. Der letzte Mensch sitzt nun also blinzelnd vor den blau schimmernden Displays, und glaubt, das Glück erfunden zu haben.

Die Realität ist für uns in der Moderne ebenso der geheimnisvolle Raum magischer Beschwörung durch Zahlen und Symbole, wie sie es für die Zauberer der Assyrer und Chaldäer einst schon gewesen war. Von dort hat sich der Faden mythischer Tradition in die talmudischen und kabbalistische Geheimlehren gesponnen. Und er findet gerade seine Anknüpfung in der technikbasierten Fortsetzung des ‚Beschwörens’ und ‚Verschwörens’ mit anderen Mitteln, aber im selben Geist.

Die entscheidende Leistung der Transformation des menschlichen Bewußtseins hat im Altertum darin bestanden, daß die Bewältigung der Stufe über die sinnliche Bindung an die Erfassung des Willens in der Natur, hin zu einer Vergeistigung der Anschaulichkeit nicht mehr bedarf. In diesem Zusammenhang muß von der normativen Bedeutung der mosaischen Gesetzgebung gesprochen werden. Durch das Bilderverbot hat die Sprache (vermittelt durch Worte-Algorithmen, also logos-basiert), einen entscheidenden Bedeutungsgewinn erfahren. Während die Hand durch die Formung der Materie das sichtbare Gefäß schafft, ist es der Atem, der Hauch (hebr.: ruach), mit dem das belebende Wort gesprochen wird. Er ist das Wesentliche, die Seele des Ganzen. Alle Dinge sind fortan beseelt, und vom schöpferischen Geist erfüllt. Da sie ursprünglich mit dem Wort ins Leben gerufen worden waren, gewinnt auch der Name, die Benennung der Dinge eine höhere Bedeutung als die Anschaulichkeit der Dinge selbst.

Auf diesem Wege kommt es auch zur Annahme von „Dingen an sich“, also Idealen des Realen. Aus der Mannigfaltigkeit etwa von Blättern an einem Baum, wird der Begriff des ‚Blattes als Solches’ herausdestilliert. Dadurch wird eine vermeintlich reine ‚Wahrheit’ in die Begrifflichkeit gelegt. Somit wird eine Reihe ‚höherer’ Tricks aus dem logischen Zauberkasten für Magier des Wortes, und auch der Zahl, überhaupt erst möglich. Ganze Lehrgebäude der Geisteswissenschaften verdienen damit einträglich ihr Brot.

Vom platonischen „Ideal“ der Begriffe von den „Dingen an sich“, bis zu Kants „Ding an sich“, hat sich noch jede pyramidale Deutung nur allzu gerne die Legitimation ihrer Macht von der Abstraktion der logischen Begriffe von der Wirklichkeit entlehnt.

In der Studierstube der Begrifflichkeit treiben die Bestimmung von „Seele“, „Welt“ und „Gott“ auseinander, sie verflüchtigen ihren Bezug zu den Dingen An-sich. Auf diese Weise gerät man auf die Spurenjagd nach einem „Ding-an-sich“ überhaupt, das die Wirklichkeit am ‚wirklichsten’ repräsentieren solle, also quasi als gesteigerte Wirklichkeit angenommen werden darf. Am Ende der unendlichen Kette der Kausalität entlang hangelt sich der Verstand, bis er auf einen Grund aller Gründe zu stoßen meint. Es ist ebenjener, den er selbst mit dorthin geschleppt hat, und den er nun, erschöpft aber zufrieden, als Entdeckung vorzufinden glaubt....